Heute, viele Jahre und viele Gin Tonics später, sieht das komplett anders aus: das Ordern eines Gin Tonics ist zu einer Wissenschaft geworden und bevor man sich endlich dem Genuss seines Drinks hingeben kann, sind eine Menge Fragen zu beantworten. Welcher Gin soll es denn überhaupt sein? Der Blick auf die Rückwand der Bar zeigt, dass dort eine mit bloßem Auge kaum zu erfassende Anzahl verschiedenster Gin-Flaschen aufgebaut ist. Ist die Frage des Gins geklärt, kommt die Frage nach dem Tonic, denn auch hier bietet der Markt inzwischen eine Vielzahl verschiedenster Sorten und Geschmacksrichtungen. Und zu guter Letzt bleibt noch die Frage nach der geschmacklich passenden Dekoration oder Garnitur. Hier stehen Zitrusfrüchte jeder Art zwar immer noch an erster Stelle, aber auch Kräuter wie Rosmarin, Basilikum oder Thymian, Gurke, verschiedenste Beeren-Früchte oder Pfeffer-Körner können den Gin-Tonic begleiten. Für jede der unzähligen Gin-Sorten, deren Anzahl ständig weiter anwächst, gibt es eine individuelle Empfehlung. Letztlich gilt aber: erlaubt ist, was gefällt und schmeckt, wobei es allerdings nicht verkehrt ist, sich bei der Auswahl des passenden „Garnish“ ein wenig am Charakter des jeweiligen Gins oder an seinen geschmacklich vorherrschenden Botanicals zu orientieren.
Wie findet man nun aber seinen persönlichen Favoriten im ständig wachsenden Gin-Dschungel? Durchprobieren ist immer ein guter Plan, wenn auch ein recht zeitaufwendiges Verfahren, da man auch die besten Gins verantwortungsvoll genießen sollte. Hilfreich und zugleich spaßig kann die Teilnahme an einem Gin-Tasting sein. Auch gibt es viele Gin-Sorten in praktischen Miniaturflaschen oder die entsprechenden Probiergrößen verschiedener Marken gleich im Set für das eigene Gin-Tasting zuhause mit Freunden. Um die Suche nach dem oder den eigenen Lieblings-Gins ein wenig einzugrenzen, kann es ratsam sein, sich erst einmal über die grundsätzlichen, persönlichen Präferenzen klar zu werden… wie bei einem Parfum! Auch bei der Wahl eines Duftes wird man sich zunächst fragen, ob man einen blumigen, einen frischen, einen holzigen oder vielleicht einen eher orientalischen Duft möchte und dann gezielt weitersuchen. Genauso ist es beim Gin: so gibt es z.B. florale, frische, mediterrane, würzige und natürlich klassische Gin-Sorten, denen die jeweilige Zusammenstellung ihrer Botanicals d.h. der für die Aromatisierung verwendeten pflanzlichen Zutaten, ihren ganz eigenen Geschmack verleiht.
Machen Sie sich also auf die Suche nach dem für Sie besten Gin oder lassen Sie sich immer wieder aufs Neue überraschen! Bei der Gin & Tonic-Bestellung kann man sich auch einfach mal auf die Empfehlung des Mannes oder der Frau hinter der Bar verlassen und dabei vielleicht eine tolle, neue Entdeckung machen. Übrigens: Gin kann natürlich noch viel mehr als „Tonic“! Viele beliebte Drinks und Cocktails wären ohne Gin nicht denkbar. Ohne Gin gäbe es keinen Dry Martini, keinen Gimlet und keinen Gin Fizz, ohne Gin müssten wir auf Klassiker wie Tom Collins, Singapore Sling und Negroni verzichten…. was doch wirklich schade wäre!
Was ist Gin eigentlich?
Streng genommen ist Gin… Wodka! Wären da nicht die Botanicals, allen voran die Wacholderbeeren. Ohne Wacholder kein Gin! Er steht am Anfang der langen und wechselvollen Geschichte des Gins, die damit begann, dass man Mitte des 16. Jahrhunderts in den Niederlanden auf die Idee kam, Kornbrand mit Wacholderbeeren zu aromatisieren und so den berühmten Genever erfand. Sein Name leitet sich von „genévrier“ ab, der französischen Bezeichnung für Wacholder. Nachdem der Wacholderschnaps den Sprung nach England geschafft hatte, wurde er dort durch eine angelsächsische Namensverkürzung schlicht als „Gin“ bezeichnet.
Gin ist per Definition bzw. EU-Verordnung (2008) „eine Spirituose mit Wacholdergeschmack, die durch Aromatisieren von Ethylalkohol… mit Wacholderbeeren … gewonnen wird.“ Der Mindestalkoholgehalt muss bei 37,5% vol. liegen und der Wacholdergeschmack muss, auch wenn andere pflanzlichen Stoffe hinzugefügt werden, stets vorherrschend bleiben. Das klingt zunächst einmal nicht besonders lecker und auch nicht danach, dass man aus diesem Getränk wirklich etwas machen könnte. Aber… ein Blick auf die unzähligen Gin-Varianten, die es heute zu kaufen gibt, belehrt uns eines Besseren. Die „anderen pflanzlichen Stoffe“, die zur Herstellung eines destillierten Gins verwendet werden dürfen, die sogenannten „Botanicals“ machen es möglich! Wacholderbeeren müssen zwar rein und müssen auch immer (mehr oder weniger) herauszuschmecken sein, aber ansonsten sind der Fantasie und der Kunst der Destillateure bei der Auswahl der Zutaten kaum Grenzen gesetzt. Weitere typische Botanicals, die in der Zutatenliste fast aller Gis vertreten sind, sind Koriandersamen, Angelikawurzel, Veilchenwurz und Zitrusfruchtschalen. Alle anderen Bestandteile und ihre mengenmäßige Zusammensetzung unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller. Insgesamt gibt es zwischen 100 und 200 verschiedene Botanicals, die einem Gin seinen unverwechselbaren Geschmack geben können. Bewährte und in vielen Gins zu findende Zutaten sind z.B. Fenchelsamen, Kardamom, Süßholz (Lakritze), Kubebenpfeffer und Zimt. Darüber hinaus gibt es eine fast unendliche Vielzahl von außergewöhnlichen Botanicals, die nur selten verwendet werden z.B. die Weinblüte bei G´Vine Gin, die Affenbrotbaumfrucht beim afrikanisch inspirierten Elephant Gin oder Rosmarin und Thymian bei mediterran angehauchten Gin-Sorten. Botanicals lassen sich grundsätzlich in vier verschiedene Gruppen einteilen: Kräuter & Blätter, Beeren & Früchte, Samen, Körner & Hülsen und Wurzeln & Rinden. Unendliche Möglichkeiten für immer neue Kombinationen und Kreationen!
Und wie kommt der Geschmack der Botanicals in den Gin?
Am Anfang einer jeden Gin-Herstellung steht die Destillation eines neutralen Alkohols, der meist aus Getreide gewonnen wird, aber auch aus Kartoffeln oder, wenn er besonders fein und mild sein soll, aus Weintrauben. Je nach Art und Beschaffenheit der eingesetzten Botanicals kann die Aromatisierung des Neutralalkohols auf zwei verschiedene Arten d.h. während oder nach der Destillation erfolgen. Bei der sogenannten Mazeration (Kaltauszug) werden die zerkleinerten Gewürze über eine gewisse Zeit in (meist mit etwas Wasser verschnittenen) Rohalkohol eingelegt, um ihr Aroma abzugeben und mit ihm zusammen destilliert zu werden. Schonender, jedoch seltener verwendet, ist das Verfahren der Dampfinfusion. Hierbei befinden sich die Botanicals in einem Korb im Steigrohr oberhalb der Brenn-Apparatur. Durch die bei der Erwärmung des Alkohols aufsteigenden Dämpfe werden die Aromen dann extrahiert und aufgenommen.
Soweit die Theorie. In der Praxis ist die Herstellung eines guten Gins ein äußerst komplexer Vorgang, der die ganze Kunst und Kreativität eines erfahrenen Brennmeisters benötigt, um die Gin-Fans auf der ganzen Welt immer wieder mit neuen Kreationen zu überraschen…